Angst zu verspüren ist ganz natürlich — es ist eine Reaktion auf Stresssituationen. Ein Spielstand von 5:7, 5:4 beim eigenen Aufschlag ist zum Beispiel eine solche Situation. Gedanken wie: “Jetzt bloß keine Fehler” schleichen sich unbemerkt in deinen Kopf. Das Gedächtnis ruft Erinnerungen an eng verlorenen Matches ab.
Was passiert dann?
Du verkrampfst, der Schläger wird schwer, die Beinarbeit kommt zum erliegen. Je vorsichtiger Du spielen möchtest, desto öfter häufen sich die Fehler. Netz, Doppelfehler, Aus. Am Ende verlierst Du den Satz mit 5:7 und damit das gesamte Match. Du fühlst dich bestätigt, denn tief in dir drin hast es schon gewusst. Schon wieder so ein Match verloren.
Die Erfahrung speicherst Du sorgfältig ab, für den Fall, dass es mal wieder eng wird. Ein frustrierender Teufelskreis.
Sobald Du negativen Gedanken freien Lauf lässt, hast Du schon verloren: “Ohje, jetzt mach ich bestimmt einen Doppelfehler” oder “Bloß keinen Doppelfehler”…Boom, Fehler! Denke nicht an einen rosa Elefanten!
Und? Hast Du etwa einen rosa Elefanten vor den Augen ??
Der Versuch NICHT an etwas zu denken scheitert kläglich.
Ermahnst Du dich NICHT an etwas zu denken, erscheint es sofort vor deinem inneren Auge. Es spielt also keine Rolle, ob Du dir sagst: “denke an einen rosa Elefanten” oder “denke NICHT an einen rosa Elefanten”. Beide Aussagen führen unweigerlich dazu, dass Du einen hübschen, großen, rosa Elefanten siehst.
Der Weg aus diesem Dilemma ist simpel und gleichzeitig mächtig:
- STOP! Sobald ein negativer Gedanke aufkeimt, sage laut in deinem Kopf: “STOP!” Spreche es nicht tatsächlich laut auf dem Platz aus, denn dann droht Scham die Oberhand zu gewinnen.
- SWAP: Ersetze SOFORT den negativen Gedanken durch eine positive Aussage wie: “Ich kann…” oder “Ich werde…”
- BREATHE: Atme tief ein und aus. Die Verknüpfung der Entspannung mit der positiven Aussage ist hier entscheidend.
- REPEAT: Wiederhole die drei Schritte konsequent!
Es gibt kein echtes Multitasking. Wir können uns nur auf EINEN Gedanken zu 100 % konzentrieren.
Aus diesem Grund, ersetze “ganz einfach” zum Beispiel den rosa Elefanten durch eine blaue Maus!
Der Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung der STOP! SWAP, BREATHE, REPEAT-Methode liegt in der repetitiven Übung.
Je öfter Du sie anwendest, desto einfacher wird es. Beim Drill-Training, beim Sparring-Match und auf Turnieren. Die Technik ist universell und lässt sich sowohl in den Alltag als auch ins Business übertragen.
Bei einem Match vor einigen Jahren, hatte ich eine besondere Stresssituation. Den ersten Satz hatte ich mit 7:5 gewonnen. Im zweiten führte ich 4:2 bei eigenem Aufschlag. Noch heute habe ich die Szene klar vor den Augen:
“Ich stelle mich hin, werfe den Ball hoch, gehe in die Knie und im gleichen Moment sacke ich zusammen und lande auf dem Boden. Der Ball fällt mir auf dem Kopf, lautes Raunen geht durch das Publikum.”
Es war ein erniedrigender Moment. Ich hatte starke Krämpfe gleichzeitig in beiden Schenkeln bekommen.
Sofort schlichen sich Gedanken ein wie: “Ich kann nicht mehr aufschlagen!” “Wie soll ich überhaupt weiterspielen, ich kann nicht mal laufen?” Ich hatte zwei Optionen, entweder ich gebe auf, oder ich schiebe jeden Zweifel beiseite und spiele weiter.
Ich gewann den Satz mit 6:2. Vor jedem einzelnen Schlag bei jedem Ballwechsel sagte ich mir ununterbrochen: “den krieg ich, den spiel ich rein”. In der Pause zwischen den Ballwechseln konnte ich kaum laufen, die Schmerzen waren überwältigend. Während dem Spiel war ich zu beschäftigt, mich positiv zu pushen, da spürte ich nichts mehr.
Nach dem Match hielt der Gegner meine Krämpfe für Show.
Quelle: ITF Coaching & Sport Science Review: “cognitive techniques to manage performance anxiety in tennis” by Dr. Andrew Peden PhD
Picture credits: unsplash, William Sitt
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